Re: Dreimal nicht pariert – schon wird er kastriert
von Anne » So 3. Jul 2011, 15:41
Hmmm, ein schwieriges Thema. Der Artikel beleuchtet die verschiedenen Aspekte ganz gut, finde ich, auch wenn er tendenziell das Nichtkastrieren propagiert und nicht unbedingt neutral ist.
Ich finde Kastration kann angezeigt sein, sollte aber niemals eine Erziehungsmassnahme darstellen, und als das missbrauchen es einfach zu viele Leute. Bevor bei einem "aggressiven" Rüden zu diesem Mittel gegriffen wird, um die Aggression abzustellen, sollte mit kompetenter Hilfe festgestellt werden, wieso dieser Hund Aggression zeigt, und dann dagegen angearbeitet. Es kann sein, dass die Kastration den Prozess unterstützt, aber die Arbeit ersetzen wird sie niemals. Viele Leute unterschätzen auch grad bei älteren, gefestigteren Rüden, wie sehr sich ein Verhalten, das vielleicht ursprünglich von Sexualhormonen, respektive der sexuellen Reifung her rührte, einfach auch festigen und einnisten kann, so dass es dann auch ohne Zufuhr der Hormone noch gezeigt wird.
Und vieles kommt wohl auch daher, dass naive Rüdenbesitzer den Moment verpassen, in dem das Verhalten ihres "Babybuben" vom ach so niedlichen "Spieltollen-Ichdarfalles-Welpenverhalten" (was es in dem Sinne ja auch nicht gibt, aber das ist ein anderes Thema..) ins Machogehabe kippt, und entsprechend das zu wenig korrigieren.
Haben so ein Beispiel hier bei uns im Quartier, wo das Wegabschneiden, Kopfauflegen, Rumjagen, Aufreiten und sogar das Knurren! noch immer als "jö lueg wiener wott spele met dim!" abgetan wird (unkastrierter, unerzogener, unausgelasteter 2 1/2 jähriger Flatrüde).
Ich bin überzeugt, dass dieser Hund kastriert werden wird, sobald es erste Probleme gibt, weil sich ein anderer dieses Verhalten nicht einfach gefallen lässt (und der Moment wird kommen), aber mit ihm gearbeitet wird vorher garantiert nicht.
Das Argument mit der grösseren Zuchtbasis finde ich ehrlich gesagt schwierig. Denn kaum ein 08/15 Hundehalter wird seinen Rüden zur Zucht einsetzen, da das korrekte Prozedere bis zum anerkannten Zuchtrüden doch sehr langwierig und auch kostspielig ist, und den "unkorrekten" Weg, den Buben einfach mal auf die hübsche Nachbarshündin sitzen zu lassen, sollte bitteschön auch nicht propagiert werden (obwohl ich dazu auch die eine oder andere etwas differenziertere Meinung habe). Sprich: Nur weil ein Rüde intakt bleibt, trägt er noch lange nicht zu Erweiterung der Zuchtbasis bei, abgesehen davon, dass man bei dem starken Inzuchtgrad unserer Rassen von einer tatsächlichen "Verbesserung" (sprich Ausdehnung) des vorhandenen Genmaterials sowieso nur noch bei sehr seltenen, wenig gebrauchten Linien (Auszucht) oder dann gleich bei Einkreuzung sprechen kann.